Freunde finden

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„Wer ist ein Freund für ein hochbegabtes Kind? Hochbegabte brauchen verschiedene Freundschaftsgruppen, weil ihre Interessen so unterschiedlich sind. Aufgrund ihrer weiterentwickelten Fähigkeiten suchen sie oft Freundschaften mit Älteren.(…) Der Konflikt zwischen Anpassung und Individualität kann erheblichen Stressauslösen.“¹

Im Alltag mit deinem hochbegabten Kind hast du vielleicht schon die Erfahrung gemacht, dass ihm Dinge schwer fallen, die für andere ganz selbstverständlich sind. Auf der einen Seite ist dein Kind mit Sicherheit in vielen Punkten seiner Entwicklung den Gleichaltrigen voraus. Es hat eine schnelle Auffassungsaufgabe. eine intrinsische Motivation zu lernen, vieles scheint ihm einfach zuzufliegen, sprich: Immer wieder verblüfft es dich mit seiner Intelligenz. Anders herum ist dein Kind aber nun ein Kind², das merkt, dass es anders ist als seine Mitschüler, dem es mitunter schwer fällt seinen Platz in einer Gruppe zu finden, das schwankt zwischen „Passe ich mich an?“ und „Kann ich nicht einfach so sein, wie ich bin?“, wenn diese Fragen vielleicht auch nicht ganz so explizit ausformuliert werden. Es kann sein, dass dein Kind eine ganz andere Vorstellung von Freundschaft hat, als die meisten seiner Altersgruppe, sei es im Kindergarten, später in der Schule oder auch in Nachbarschaft und Sportverein.

Möglicherweise beklagt es sich schon vor Kindergarteneintritt, hier einmal angenommen vor dem dritten Lebensjahr, das es keinen wirklich Freund hat, denn mit den Kindern aus Krabbel- Spiel- und Kinderturngruppen kann es nichts anfangen, weil sie meist eher neben – als miteinander spielen und deinem Sproß der gewünschte verbale Austausch fehlt. Seine emotional-sozialen Bedürfnisse sind einfach anders gelagert als die der Kinder im gleichen Alter, da bestimmte Entwicklungsschritte zu einem früheren Zeitpunkt ablaufen.

Manchmal hilft es, ältere Spielgefährten für dein Kind zu suchen, die auf einem Niveau spielen, das seinem Nahe kommt und durch das es gefordert wird. Eine tolle Möglichkeit bieten auch die Spielgruppen, die durch die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind (DGhK) veranstaltet werden, bei denen dein Kind auf andere hochbegabte Kinder treffen kann und du zeitgleich die Möglichkeit hast, dich mit deren Eltern auszutauschen (Absolut lohnenswert, denn wo sonst kannst du dich so ehrlich und unbeschwert über Hochbegabung austauschen als mit Eltern, die kennen wovon du sprichst und ähnliche Erfahrungen haben?) Vielleicht hast du Glück und in deiner Nähe werden regelmäßige Treffen veranstaltet.

Für Eltern ist es unerlässlich wichtig, die Verhaltensweisen ihrer Kinder, die sie für andere schwierig oder anders erscheinen lassen mögen, zu verstehen und produktiv mit ihnen umzugehen.

Manche Probleme mit Gleichaltrigen ergeben sich dabei auch aus den gerade aus den Stärken deines hochbegabten Kindes. So erwirbt es einerseits schnell und leicht Informationen, ist dadurch aber unter Umständen ungeduldig mit anderen, die dabei eher Probleme haben. Hier ist es wichtig, immer wieder das Gespräch mit seinem Kind zu suchen und ihm zu erklären, dass es normal ist, dass nicht alle alles gleich gut und schnell verstehen und das jeder seine Stärken hat.

Durch seine Motivation sich Wissen anzueignen, handelnd zu lernen und seine Ideen und Vorstellungen umzusetzen, kann dein Kind für die anderen in der Gruppe zu eigenwillig oder auch rechthaberisch wirken. Dein Kind ist unabhängig, zieht seine eigenen „Arbeiten“ vor und lehnt Vorschläge anderer Kinder, der Erzieher im Kindergarten, der Lehrer oder teils auch der Eltern, ab.

Deinem hochbegabten Kind sind Wahrheit, Aufrichtigkeit, Gleichheit und Fairness sehr wichtig, es sorgt sich um andere und kann Ungerechtigkeiten, so klein sie im gemeinsamen Spiel eventuell auch wiegen mögen, nicht ertragen.

Häufig erlebt man, das hochbegabte Kinder schon sehr früh einen ganz feinen Humor entwickeln, mit Ironie und Sarkasmus umgehen und Wortspiele mögen. Zum Leidwesen deines Kindes verstehen viele Gleichaltrige einen derartigen Humor noch nicht.

Ein unterstützendes familiäres Umfeld ist für hochbegabte Kinder (wie es eigentlich aber auch für alle Kinder sein sollte), sehr wichtig. Dein hochbegabtes Kind braucht dich, als Mutter oder Vater, als informierten guten Erzieher und Fürsprecher, als Wegbegleiter, der ihm helfen kann, mit seinen Besonderheiten in dieser Welt und mit den Menschen um ihn herum ein ausgeglichenes, glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Erkläre deinem Kind, was eine gute Freundschaft ausmacht und dass es nicht wichtig ist, von allen gemocht zu werden, oder ganz ganz viele Freunde zu haben, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, „richtige“ Freunde zu finden. Das müssen keine anderen hochbegabten Kinder sein. Vielleicht spielt dein Kind am liebsten mit dem, der viel mutiger ist als es selbst, auch mal eine Grenze (in einem gewissen Rahmen) überschreitet, die für dein Kind nie denkbar gewesen wäre, und wenn es nur der Sprung von einem Bachufer zum anderen ist, bei dem man einen nassen Fuß riskieren könnte. Im Umgang mit einem solchen Freund macht dein Kind ganz neue, bereichernde Erfahrungen, an denen es auch wachsen kann. Oder es genießt die Gesellschaft eines sehr ruhigen Kindes, das gern etwas von ihm lernt. Oder oder oder.

Das Wichtigste ist: Ein richtiger Freund akzeptiert dein Kind so wie es ist.

Wie ist das bei euch? Ist das Thema „Freundschaften“ etwas, was euch Sorgen macht und immer wieder vor neue Herausforderungen stellt, oder läuft das „wie von selbst“?

Wie immer freue ich mich über Rückmeldungen, Kommentare, Tipps u.ä. !

 

¹nach James T. Webb

²dazu interessant: asynchrone Entwicklung

4 Gedanken zu „Freunde finden“

  1. Hallo,
    Hier ein kleiner Erfahrungswert aus unserem Alltag .
    Ja Probleme bei der „Freundesuche“ existiert schon. Wie schon in deinem Bericht erwähnt, interessiert sich unsere Tochter nur für ältere Kinder . Mit gleichaltrigen spielt sie nur sehr selten, und wenn mal doch, dann ist dieses Kind erst mal wieder für Monate uninteressant.
    Dies verstehen natürlich die meisten Kinder und auch Eltern nicht, warum sie nur so selten mit ihren Kindern spielen mag. Man kommt oft in Erklärungsnot und stößt auch oft auf Eltern die absolut kein Verständnis haben und teilweise sogar beleidigt oder sauer sind.
    Vielleicht hat ja jemand Erfahrung in diesen Bereichen und berichtet mal, wie sie dies so meistern. Ich habe halt das Gefühl, dass man mit hb kiddis doch ziemlich alleine da steht.

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  2. Hallo, mir gefällt dein Artikel wirklich gut. Ich selbst habe eine höchstbegabte Tochter und weiß um die Schwierigkeiten, die im Alltag entstehen können.
    Zu allem Überfluss hat sie multiple Persönlichkeitsstörungen, die mehrere Monate Aufenthalt in einer Kinderpsychiatrie zur Folge hatten.
    Ich habe einen Artikel über die Hochbegabung geschrieben, vielleicht hast du Interesse daran, mich zu verlinken?
    Dann könnte ich deinen Bericht ebenfalls verlinken..
    Liebe Grüße – Linda
    https://auftragsmama.wordpress.com/category/nur-dumm-oder-hochbegabt/

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    • Liebe Linda! Danke für deinen Kommentar! Gerne möchte ich deinen Blog verlinken, vielleicht ergibt sich ja auch mal die Möglichkeit eines gegenseitigen Gastbeitrages? Liebe Grüße,Ilana

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  3. Liebe Community!
    Auch bei mir stellt sich dieses Problem mit der Freundschaft, denn ich interessiere mich für Chemie, und Mathe würde mich gerne darüber unterhalten. Aber die anderen Jugendlichen interessieren sich nur für Jungs, Klamotten und Make up

    Und auch sonst nennen sie mich oft Streber weil ich mir einfach Dinge schnell merken kann und in Mathe und Chemie schon viele Vorkenntnisse habe

    Manchmal verfluche ich es nicht so zu sein wie die anderen. Aber um
    so mehr ich darüber nachdenke bin ich dankbar leicht und schnell zu lernen

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