Ängste und Sorgen hochbegabter Kinder

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Den Gedankengängen unserer Kinder zu lauschen und sie tagtäglich in ihrer Entwicklung begleiten zu können ist ein großes Geschenk für uns Eltern.

Besonders bei hochbegabten Kindern sind wir oft erstaunt, wie sie bereits denken, was sie wie speichern und womit verknüpfen. Sie haben eine intrinsische Motivation zu lernen und es fällt ihnen häufig erstaunlich leicht, komplizierte Inhalte zu erfassen und weiter zu denken.

Allerdings ist diese Art komplex zu denken nicht immer nur ein Segen.

Vielleicht kennst du das auch, dass dein Kind vieles wissen und ganz genau verstehen möchte. Komplizierte Zusammenhänge kann es zwar erstaunlich schnell begreifen, sie aber noch nicht immer richtig einorden, sprich, manche Informationen machen deinem Kind regelrecht Angst, weil es ihre Folgen aufgrund seiner entsprechend kürzeren Lebenserfahrung einfach nicht absehen kann (siehe asynchrone Entwicklung). Dein Kind macht sich um alles Gedanken und hat damit Sorgen und Ängste, die andere Kinder seines Alters nicht haben und die es eventuell in seinem natürlichen Handlungsdrang hemmen und ihm die kindliche Unbeschwertheit nehmen die wir ihm gerne noch zugestehen möchten.

Manchmal kann der Verstand Ängste regelrecht „triggern“.

Meiner Erfahrung nach denken hochbegabte Kinder darüber hinaus überwiegend vorausschauend und sind sich der möglichen Konsequenzen ihres Handels sehr viel bewusster als ihre Altersgenossen. Sie wägen die Dinge ab, bevor sie handeln oder eine Entscheidung treffen und durchdenken alles umfassend. Ihre Befürchtungen halten sie davon ab, Dinge zu tun, die ihnen auch großen Spaß bereiten könnten.

Möglicherweise kennst du auch so eine Situation, in der dein Kind, das mit 3 Jahren von der Motorik her schon super Fahrrad fahren kann, mit 5 Jahren noch immer am Berg absteigt, weil es befürchtet, beim Abwärtsfahren so schnell zu werden, dass es hinfallen könnte. Dein Kind hat vielleicht auch schon einmal davon gehört, dass man sich das Genick brechen und das ein solcher Genickbruch tödlich sein kann und fragt dich nun bei jeder sportlichen Betätigung, bei jedem Klettern, ob man sich dabei vielleicht auch das Genick brechen könne. Außerdem möchte es genau informiert werden über die medizinischen Möglichkeiten, die einen Tod durch Genickbruch verhindern können. Was auf uns beinahe belustigend wirkt, birgt für ein nachdenkliches, hochbegabtes Kind ein mächtiges Angstpotential.

Diese Ängste können beinahe universell sein: Angst beim Nasenbluten zu verbluten, Angst vor Krankheiten im Allgemeinen und davor, sich bei irgendjemandem mit irgendetwas anzustecken, Angst davor, etwas Giftiges zu essen oder anzufassen, Angst vor Unwettern und Naturkatastrophen, insbesondere vor Überschwemmungen, Angst vor dem Abschmelzen der Gletscher und den Folgen dieser Entwicklung, Angst davor, dass das Haus abbrennen könnte usw  usw. Bestimmt fallen dir gerade selbst noch viele Beispiel ein.

Häufig geht es den Kindern auch bei alltäglichen Dingen um Eventualitäten, die sie vermeiden wollen. Ungefähr so: Wenn die Sprossen am Klettergerüst feucht sind, könnte ich abrutschen, dabei könnte ich auf den Rücken oder den Kopf stürzen und mich lebensgefährlich verletzen Ich klettere nicht auf den Baum, weil es sein könnte, dass ich Angst vor der Höhe bekomme, wenn ich oben bin und mich dann nicht mehr herunter traue; Ich esse mein Eis lieber drinnen, denn dort sind keine Bienen oder Wespen, die mir draußen eventuell in den Mund fliegen und mich dort stechen könnten … etc. etc.

Mit den Ängsten unserer Kinder ist konstruktiv umzugehen, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, mit seiner Angst zurecht zu kommen und sie im besten Fall zu überwinden. Auch wenn die Menschen in deinem persönlichen Umfeld die Befindlichkeiten deines hochbegabten Kindes als lächerlich erachten, oder dir erzählen wollen, dass ein so schlaues Kind doch nicht vor jeder Kleinigkeit Angst zu haben brauche.

An dieser Stelle ist es wichtig, dass wir als Eltern uns die Zeit nehmen, gut zuzuhören und unser Kind und seine Ängste ernst zu nehmen. Dein hochbegabtes Kind braucht einen Zuhörer, der ihm seine vielen, altersuntypischen, Fragen hinreichend beantwortet, der ihm ein Gefühl von Sicherheit und Rückhalt gibt und mit dem zusammen es Wege finden kann, mit seiner Angst umzugehen.

Dabei hilft es dem Kind gar nichts, wenn wir sagen :“ Davor brauchst du doch keine Angst zu haben“, denn von einem solchen Satz hat sich Angst noch nie in Luft auflösen können, und dein Kind wird sich eher zurück ziehen und denken, mit ihm könne etwas nicht in Ordnung sein, wenn es vor etwas Angst hat, vor dem man doch gar keine Angst zu haben braucht …“. Dieses Kind wird sich also möglicherweise mit seinen Ängsten nicht mehr an seine Eltern wenden und sie in sich hineinfressen, bis es psychosomatische Störungen entwickelt (häufige Bauchschmerzen, Einnässen o.ä.). Das Problem ist einfach, dass dein Kind Wissen braucht, um weniger Angst zu haben, du ihm aber zusätzlich helfen musst, dieses Wissen einzuordnen um Situationen einschätzen zu können.

In Bezug auf kleine Verletzungen oder neue Situationen helfen z. B. oft ganz einfache Sätze wie “ das hatte ich auch schonmal“, „das ist nichts Schlimmes“, „erst mal abwarten“, „sowas hat man schonmal“, die wir unseren Kindern mit auf den Weg geben können. Die Kinder merken sich diese Sätze, sie sind wie eine innere Stimme, quasi schon wie ein Beruhigungsmantra, mit dem sie sich selber etwas beruhigen können und das verhindern kann, das im Alltag Angst und Panik entstehen. Unsere Kinder müssen die Kompetenz erwerben, mit ihren Ängsten umzugehen.

Vielleicht erscheint dir manches, was du hier liest, als völlig selbstverständlich. Und sicherlich ist es nicht nur für hochbegabte Kinder wichtig, mit ihren Ängsten, Nöten und Sorgen gehört und ernst genommen zu werden. Umso wichtiger ist es, dass wir nicht vergessen, wie sehr Ängste uns hemmen und einschränken können und wie wichtig es ist, schon im Kindesalter zu lernen, dass es völlig in Ordnung ist, Angst vor etwas zu haben, solange man sich davon nicht einschüchtern lässt und versucht, Möglichkeiten zu finden, seine Angst zu überwinden und als gestärkter Mensch daraus hervor zu gehen,

Denn nur wer Angst hat, kann auch mutig sein.

Gerade bei kleineren Kindern, können Geschichten gut dazu beitragen, Ängste zu thematisieren und Problemlösungen zu liefern.

Hier noch eine kleine Liste an Büchertipps zum Thema:

Ich will mutig sein!: Vorlesegeschichten vom Angsthaben und Sich-Trauen

Ab heute bin ich stark!: Vorlesegeschichten, die selbstbewusst machen

Kleine Helden – großer Mut: Geschichten, die stark machen

 

PS:

Auch Stress und Druck können bei hochbegabten Kindern Ängste und Unsicherheiten auslösen und schlimmstenfalls sogar zu depressiven Verstimmungen führen. Um mit Stress besser umgehen zu können, habe ich bei James T. Webb¹ ein praktikables 3 Schritte Konzept entdeckt, mit dem wir unseren Kindern etwas an die Hand geben können, dass sie im Laufe der Zeit in einer Art reflekrierendem Selbstgespräch mehr und mehr nutzen können, um Situationen ( und auch Ängste) meistern zu können.

Aber davon mehr in einem meiner nächsten Beiträge!:)

 

 

Wie ist das bei euch? Sind eure Kinder auch eher ängstlich? Habt ihr Tipps und Tricks, die ihr auch an andere Eltern weitergeben mögt? Ich würde mich freuen! Nutzt die Kommentarfunktion oder schreibt mir auch gerne eine email!

 

 

 

 

 

 

¹Hochbegabte Kinder: Das grosse Handbuch für Eltern

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