Schlafverhalten bei Hochbegabung

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Im Internet und in der Literatur gibt es zahlreiche Listen, die mögliche Merkmale von Hochbegabung aufzeigen. Anhand dieser Merkmale lässt sich zwar nicht eindeutig sagen, ob ein Kind hochbegabt ist oder nicht, wohl aber können sie uns als Hinweis dienen, uns sensibilisieren und gegebenfalls dazu veranlassen, noch näher hinzuschauen und eine mögliche Hochbegabung diagnostisch abklären zu lassen.

Ein viel diskutiertes Merkmal ist das Schlafverhalten hochbegabter Kinder. Häufig liest man, dass hochbegabte Kinder auffällig wenig Schlaf benötigen. Das mag nicht bei all diesen Kindern der Fall sein, schließlich gibt es keinen Stereotypen Hochbegabten, und sicher gibt es auch hochbegabte Kinder, die abends um halb acht ins Bett gehen und am nächsten Morgen ausgeruht um 7 Uhr aufstehen (Sollte das bei dir und deinem Kind der Fall sein, lehn dich entspannt zurück, freue dich darüber und lies lieber an einer anderen Stelle auf meinem Blog weiter:)).  Meine Erfahrung ist allerdings eine andere und das Thema Schlaf eines derjenigen, die uns immer mal wieder Nerven kosten und vor allen Dingen lange Abende in Aussicht stellen.

Stellt sich im Laufe der Zeit heraus, dass dein Kind hochbegabt ist, bemerkst du vielleicht rückblickend, dass es schon als Säugling in seinen ersten Lebenswochen sehr „wach“ und aufmerksam wirkte und ein ausgesprochener Wenigschläfer gewesen ist.

Im Kleinkindalter kann es dir passiert sein, das andere Eltern noch vom Mittagsschlaf ihrer Kinder erzählten, den deines vielleicht schon vor seinem zweiten Geburtstag ersatzlos gestrichen hat. Und bestimmt musstest du dir innerhalb der Familie und im Bekanntenkreis schon mehr als einmal die Frage stellen lassen, warum du dein Kind nicht einfach früher ins Bett bringst. Das Unverständnis im Umfeld macht die Situation nicht leichter und gibt uns Eltern das ein oder andere Mal das Gefühl, etwas falsch zu machen. Da werden dann Einschlafratgeber gekauft, verschiedene Einschlafrituale ausprobiert, Freundinnen und Bekannte befragt und und und.

Aber woran liegt es, dass dein Kind scheinbar viel weniger Schlaf benötigt und es ihm schwer fällt, in den Schlaf zu finden?

Hochbegabte Kinder zum „Abschalten“ zu bewegen ist mitunter schwierig. Sie kommen abends nur schwer zu Ruhe, weil es einfach noch zu viel gibt, worüber sie nachdenken und womit sie sich beschäftigen oder was sie noch erleben wollen.

Gehen wir davon aus, dass das Gehirn deines hochbegabten Kindes sehr effektiv arbeitet und sehr viele Reize verarbeiten kann, bedeutet das wohl auch, dass es den Großteil des Tages auf „Aufnahmebereitschaft“ steht und nach hohem Input (also nach sehr vielen Reizen) verlangt.¹ Dieses Bedürfnis kann nicht von jetzt auf gleich so einfach abgestellt werden, das „Umschalten“ auf den „Ruhemodus“, also die Regulation der Aktivitäts- und Ruhephasen, fällt deinem Kind sehr schwer.

Der polnische Psychiater und Psychologe Kazimierz Dabrowski entwickelte das Konzept der „overexcitabilities“, der erhöhten Sensitivität. Dabrowski  beschreibt eine erhöhte Sensitivität bei Hochbegabten in fünf Bereichen (im intellektuellen, imaginären, emotionalen, sensorischen und psychomotorischem Bereich). Die psychomotorische Sensitivität bringt Dabrowski auch mit einer verringerten Schlafdauer in der frühen Kindheit in Verbindung.²

Ich würde dir gerne eine einfache Antwort darauf geben, warum unsere hochbegabten Kinder das beschriebene Schlafverhalten an den Tag legen. Toll wäre auch ein einfacher Tipp, der euch eventuelle Einschlafdiskussionen und ellenlange Abende erspart. Leider habe ich aber nichts dergleichen parat.

Letztendlich kommt es nur darauf an, dass ihr eine Möglichkeit findet, wie ihr mit dem geringen Schlafbedürfnis bzw. mit dem eher ungewöhnlichen Schlafverhalten eures Kindes zurecht kommt.

Ihr müsst einen Weg finden, der beide Seiten berücksichtigt, sowohl das Kind mit seinem geringen Schlafbedürfnis, als auch die Eltern, mit ihrem abendlichen Ruhebedürfnis. Es ist wichtig, dass euch eure Einschlafsituation nicht an euren Erziehungskompetenzen als Eltern zweifeln lässt und dass ihr für euch akzeptiert, dass euer Kind so ist, wie es ist und dass das auch so seine Richtigkeit hat.

Zwar werden wir das Schlafverhalten unserer Kinder kaum grundlegend ändern können, doch können wir sie darin unterstützen,  abends schneller zur Ruhe kommen und abzuschalten. Wie alle Kinder, so brauchen auch hochbegabte Kinder ihre allabendlichen Rituale. Dazu eignen sich beispielsweise Vorlesegeschichten vor dem Einschlafen, gemeinsames Kuscheln und den Tag reflektieren. Manchen Kindern helfen auch Entspannungs-CDs dabei, schneller in den Schlaf zu finden.

Zwei Cds mit denen ich ganz gute Erfahrungen gemacht habe, sind zum einen „Babuba und die Mondlinge“, aber auch „Im Traumschloss“ (siehe unten). An manchen Abenden gelingt das Einschlafen mithilfe dieser CDs besser, es gibt aber trotzdem viele Abende, an denen wir nach 23 Uhr noch Fragen zur Klimaerwärmung, zu Tutanchamun und seinem Grabmal oder dazu, wie viel Wörter ein Satz braucht, beantworten müssen, um nur einige wenige Beispiele zu nennen (ich bin sicher, ihr habt selbst genung davon parat;-)).

Babuba und die Mondlinge: Phantasiereisen zum Entspannen und Einschlafen

Im Zauberschloß… Auf dem Weg zum Schlafen und Träumen

 

 

Was sind eure Erfahrungen? Habt ihr gute Tipps? Teilt sie mir mit, so können vielleicht auch andere Eltern davon profitieren!

 

¹s. Hanna Vock

² nachzulesen bei Webb, James T . u.a. (2002). Hochbegabte Kinder, ihre Eltern, ihre Lehrer. Überarb. Ausg. Bern 2002. Von James T. Webb u.a., überarbeitet von Nadine D. Zimet und Franzis Preckel.
Verlag Hans Huber Bern, 3. Auflage 2002. ISBN: 3-456-83696-1
Hochbegabte Kinder – ihre Eltern, ihre Lehrer. Ein Ratgeber

 

 

12 Gedanken zu „Schlafverhalten bei Hochbegabung“

  1. Als Säugling war unser Sohn sehr wach und aufmerksam, das stimmt. Aber sonst war er von Anfang an ein sehr guter Schläfer und ist das auch immer noch. Dafür gibt er in seinen Wachphasen 100% und hat schon sehr früh das Mittagsschläfchen gestrichen.

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  2. ..kann ich mal wieder absolut nicht bestätigen.
    Als Baby, Kleinkind und auch jetzt als Grundschulkind braucht er genau soviel Schlaf wie viele im gleichen Alter.
    Was aber bei uns auffällig ist ,das er selten ruhige Nächte hat.
    Nachts wird hier sehr viel verarbeitet und geträumt

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  3. Unser Sohn ist jetzt 6 Jahre und wir haben Seid 4 jahren keine normale Nacht mehr. Luca hat Grossen Einschlafprobleme bzw Ängste oder Nachtschreck, schlafwandeln…. sprechen im Schlaf. .. alles dabei. Er kann nicht Allein eingeschlafen und auch nicht durch schlafen. Ich wäre auch für Tips sehr denkbar. .. haben Schon Viel versucht. … was etwas hilft ist das er jetzt selbst lesen kann und damit scheinbar n bisschen runter fährt

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    • Hallo Katja! Eure Schlafprobleme kann ich gut nachempfinden! Manchmal helfen kleine Tipps, um ein bißchen Besserung zu erreichen. Ich habe z.B.gute Erfahrungen gemacht mit einem roten LED Nachtlicht, dass die ganze Nacht anbleiben kann und mit im Bett liegt ( Spöka von Ikea). Ich habe auch jede Menge Bücher, in denen es um Ängste und den Umgang damit geht, in Geschichtenform für Kinder. Vielleicht wäre es noch interessant, eine Liste dieser Bücher auf dem Blog zu veröffentlichen?
      Man mag daran glauben oder nicht, aber ich habe irgendwann angefangen, alle Stecker im Kinderzimmer vor dem zu Bett bringen heraus zu ziehen und fand, dass sich das Schlafverhalten verbesserte.
      Alles Gute!

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  4. Schlafen ist bei uns schon immer ein ganz schwieriges Thema gewesen: Es fing an, als Clara 6 Monate alt war. Da hatte sie einen von morgens 7 bis abends 7 Rhythmus. Da war nichts dran zu rütteln. Ich war mit den Nerven runter, hab alles versucht, sie zum schlafen zu kriegen: Mit hinlegen, singen, alleine hinlegen, 10 Min. schreien lassen, wieder hingehen. Nichts half. Irgendwann hab ich mich damit abgefunden. Dann ging es uns beiden besser. Als sie 2 1/2 war, haben wir uns mittags einfach eine halbstündige Auszeit gegönnt, jeder für sich. Das konnte sie akzeptieren, obwohl sie noch so klein war… Damals habe ich noch an keine Hochbegabung gedacht, ich hielt es immer für meinen Fehler, dass ich mich nicht genug durchsetzen könnte. Ich habe immer gestaunt, wenn meine Freundinnen erzählt haben, wie viel und wie lange ihre Kinder schlafen.
    Das Spöka-Nachtlicht haben wir 3x gehabt, es hat uns auch immer gute Dienste geleistet. Ohne CDs schläft unsere Tochter (8) heute immer noch nicht ein. Am allerliebsten hört sie „Die Kinder-Uni – Weltall“. Das läuft rauf und runter. 🙂
    Manchmal erstaunt mich immer noch, wie wenig Schlaf sie benötigt. Da brauche ich als Mutter beinahe mehr.

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  5. Hallöchen,
    Mein Sohn ist mittlerweile 7 Jahre. Er hat als Baby schon weniger und später geschlafen als die meisten Kinder, die ich kenne. Mit 1,5 Jahren habe ich ihm den Mittagsschlaf untersagt, weil er sonst erst um 11 Uhr nachts eingeschlafen ist. Das war mir eindeutig zu spät. Ich habe mich abends mit hingelegt und Geschichten vorgelesen und sollte von ihm aus immer warten, bis er eingeschlafen ist mit Nachtlicht, weil er alleine Angst hatte. Wenn er nachts aufgewacht war und gemerkt hat, daß ich nicht mehr da bin, habe ich mich zu ihm gelegt und weiter geschlafen. Seit er mit bei mir im Bett schlafen darf (da er meine Nähe immer noch braucht) gehen wir zusammen gegen 22 Uhr zu Bett und führen Gespräche über Gott und die Welt, Rechenaufgaben, Wörter, Begebenheiten, den Tod und alle möglichen Dinge, die Erklärung bedürfen. Geschichten lesen wir meist immer noch, außer mir ist es zu spät. Ich kann ihn nicht ändern, aber ich kann ihn so nehmen, wie er ist.
    Liebe Grüße, Carmen

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    • Hallo Carmen,
      Ich kenne diese “ Schlafgewohnheiten“ nur zu gut, und ich finde es toll, wie du damit umgehst! Wir haben auch irgendwann begriffen, dass unser Kind nunmal so ist, wie es ist und oft genieße ich auch die Gespräche über “ Gott und die Welt“ zu nachtschlafender Zeit 🙂

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  6. Hallo,
    es tröstet mich, dass wir mit diesem Problem nicht alleine sind. Auch unsere 3-jährige Tochter wehrt sich vehement gegen das einschlafen, und findet ständig neue „Argumente“ dagegen. Heute hat sie laut geschrien „ich hab Hunger, ich hab Hunger“ (manchmal Frage ich mich, was wohl die Nachbarn über uns denken…) Sie schläft von 22.30 bis 8.00 und da gibts nichts dran zu rütteln. Durch früheres Wecken keine Minute eher.
    Es fällt vor allem meinem Mann schwer, das zu akzeptieren, da er sehr früh aufstehen muss, aber auch für mich bedeutet es natürlich keine Minute des Tages ohne Kind.
    Nach euren Berichten denke ich allerdings, dass wir das nicht ändern können, sondern lernen müssen damit umzugehen.
    Unsere Tochter ist übrigens ein wunderbarer und sehr liebenswerter kleiner Mensch, seit wir wissen, dass sie hochbegabt ist, sehen wir einfach auch manche Verhaltensweisen nochmal mit anderen Augen und das mit dem Schlafen scheint ja echt ein typisches Thema zu sein…
    Herzliche Grüße
    Anja

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